Sinti Allianz

DIE BEAUFTRAGTE FÜR MINDERHEITEN DER BUNDESREGIERUNG ÜBER UNS:

Die 2000 gegründete Sinti Allianz Deutschland e.V. ist ein Zusammenschluss deutscher Sinti. Sie versteht sich als Interessenvertretung deutscher Sinti, die sich ihrer traditionellen Lebensweise mit ihren historisch gewachsenen Geboten und Verboten – kulturellen und sozialen Tabus – besonders verpflichtet fühlen und diese Ordnung erhalten wollen.

Seit 2018 hat sie ihren Sitz in Bergisch Gladbach. Die meisten der von der Sinti Allianz vertretenen Sinti verstehen sich nicht nur als Angehörige einer Minderheit, sondern zugleich auch als Sinti-Volksgruppe, die ein Teil der deutschen Gesamtgesellschaft ist und die neben ihrer deutschen Sprache und Kultur die der Sinti lebt und pflegt. (Quelle: https://www.aussiedlerbeauftragte.de/Webs/AUSB/DE/themen/minderheiten-sprachgruppen/sinti-und-roma/sinti-und-roma-node.html)

WIR ÜBER UNS | MER HAM SINTE:

Die Sinti Allianz Deutschland e. V. wurde im Jahr 2000 gegründet. Federführend für die Gründung war unsere erste Vorsitzende, Natascha Winter.

Natascha Winter wollte uns deutschen Sinti eine Stimme geben. Ihr war wichtig, dass unsere spezielle Geschichte in Deutschland nicht vergessen wird.

Wir Sinti leben seit Jahrhunderten in Deutschland, meist ausgegrenzt am Rande der Gesellschaft – mal mehr und mal weniger anerkannt. Was vielen Menschen nicht bewusst ist: Wir Sinti sind Deutsche und wir waren immer Deutsche. Wir leben seit über 600 Jahren in diesem Land. Das wird in Deutschland, das sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Einwandererland entwickelt hat, oft übersehen.

Natascha Winter war es auch wichtig zu darauf aufmerksam zu machen, dass der Oberbegriff „Sinti und Roma“ ein Stück weit verdeckt, aus wie vielen diversen Gruppen sich die Minderheit der Sinti und Roma (* siehe auch unten) eigentlich zusammensetzt. So hat unsere Sprache, das Romanes, ganz unterschiedliche Ausprägungen. Gleiches gilt für unsere Kultur sowie für unsere Traditionen und Werte.

Sinti und Roma haben in vielen Ländern der Erde – nicht nur in Deutschland und Europa – zur kulturellen Bereicherung der Menschheit beigetragen, vor allem durch die Musik und den Tanz. Maßgebliche Komponisten, deren Werke heute zur Klassik zählen haben auf die Expertise von Musikern aus der Minderheit zurückgegriffen und sich von diesen inspirieren lassen – z. B. Bach oder Debussy.

Unsere Vorfahren haben dann als Reisende die Kultur verbreitet und Sie in die Städte und auf das Land getragen. Sie haben dort beim Ständele Musik und Operetten vorgetragen und getanzt – wie Kulturbotschafter. Das war bis zum ersten Weltkrieg. Alles vergessen! Denn maßgeblich durch die Terrorjahre des Faschismus ist das Wissen über unsere Kultur fast komplett verloren gegangen.

Bis heute ist in der deutschen Mehrheitsgesellschaft fast nichts über das brutale Schicksal der Sinti und Roma in der Zeit des Faschismus bekannt. Kaum jemand weiß, dass geschätzt 500.000 (vermutlich sogar mehr) Menschen der Minderheit in den faschistischen Vernichtungslagern und durch Zwangsarbeit ermordet wurden.

In den damals von Deutschland überfallenen und besetzten Gebieten waren es die deutschen, faschistischen Besatzer, die Terror ausübten. Sie waren in diesen Ländern Fremde, Feinde, die die Menschen drangsalierten und ins KZ schickten.

Doch hier in Deutschland waren es Deutsche, die Deutsche wegsperrten; sie deportierten und ermordeten.

Bereits mit der Machtübernahme der Faschisten in den 30er Jahren begann der Terror. Seit Mitte 1935 wurde, ausgehend von einer Initiative der Stadt Köln, damit begonnen, Zigeuner zwangsweise in umzäunten und bewachten Lagern am Rand der Städte zu konzentrieren. Angelehnt an das Kölner Modell wurden 1936 in Berlin, Frankfurt/Main und Magdeburg und 1937 in Düsseldorf, Essen, Kassel und Wiesbaden Zigeunerlager eröffnet; die Gründung weiterer kommunaler Zwangslager in verschiedenen Städten schloss sich an. … Mit dem im Dezember 1937 in Kraft getretenen sogenannten „Asozialenerlaß“ bekam die Polizei ausdrücklich die Kompetenz, Zigeuner in ein Konzentrationslager einzuweisen. (Quelle + Zitat bpb)

Dort wurden an unseren Vorfahren rassekundliche Untersuchungen durchgeführt; sie konnten sich nicht mehr frei bewegen und wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet. Und nicht zuletzt wurden unsere Vorfahren als „Probematerial“ für die perfide Deportationslogistik der Nationalsozialisten missbraucht. Am 16. Mai 1940 starteten die ersten Deportationen – mit dabei jede Menge Sinti-Kinder.

Kaum jemand weiß, dass und wie sehr Sinti und Roma hier in Deutschland in der Nachkriegszeit (West wie Ost) weiter diskriminiert und ausgegrenzt wurden. Es war brutal. Teilweise wurden unsere Menschen von den gleichen Polizisten und Beamten, die sie ins KZ geschickt hatten, weiter drangsaliert. Die Polizei hat die Listen aus der Nazizeit übernommen und ‚Zigeuner‘ wurden weiter als Kriminelle geführt. Es gab keine Wiedergutmachung! Erst nach einem Hungerstreik durch Sinti erkannte Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) 1982 erstmals für die Bundesregierung den Völkermord an den Sinti und Roma an.

Wir möchten, dass die Gesellschaft sich erinnert! Polizisten müssen darüber Bescheid wissen, dass es einst die Kriminalpolizei war, die unsere Menschen als Asoziale, Arbeitsscheue und Kriminelle deportierten.

Wir wünschen uns Respekt und Akzeptanz. Wir möchten, dass Lehrer wissen, dass unseren Kindern Minderheitenrechte zustehen und dass ihre Herkunftssprache Romanes ist. Wir möchten, dass unsere Kultur und unsere Lebensweise respektiert wird. Dabei geht es nicht nur um unsere Musik, sondern auch um unsere Zusammenkünfte, unsere Traditionen und das Reisen. Wir geben unser Wissen am Lagerfeuer weiter.

In Deutschland heißt es: gleichwertige Lebensbedingungen für alle – doch für Sinti und Roma gilt das in weiten Teilen nicht. Der schlechte Zugang zu Bildung, wie zum Arbeits- und Wohnungsmarkt verhindert unsere Teilhabe an dieser Gesellschaft.

Und dennoch verstehen wir als Sinti Allianz Deutschland uns heute als Brückenbauer. Wir sorgen mit Begegnungen, wie Erzählcafés, kulturellen Veranstaltungen, Ausstellungen und Erinnerungsarbeit für Information und Aufklärung.

Als Bundesdachverband mit den angeschlossenen Landes- und Regionalvereinen leisten wir als Sinti Allianz Deutschland daher heute Gleichstellungsarbeit. Wir setzen uns für

gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe der deutschen Sinti und Roma ein. Wir möchten nicht durch die Brille der antiziganistischen Stereotype wahrgenommen werden, sondern als gleichwertige Bürger und Menschen dieses Landes.

Zudem fördern wir das Andenken an die verfolgten Sinti während des Faschismus und kümmern uns um die Begleitung von NS-Opfern sowie deren Familien für den Erhalt denkmalgeschützter Gräber als Familiengedächtnisstätten. Dabei berücksichtigen wir den Wunsch vieler Sinti, dass die „Ruhekosten“ von Staat, Land, Kommune übernommen werden, jedoch die Pflege und Gestaltung der Gräber in der Hand der Hinterbliebenen bleibt.

Nach Schätzungen der Sinti Allianz Deutschland leben ca. 150.000 Sinti in Deutschland. Sinti sind überwiegend deutsche Staatsangehörige und ihrem Heimatland, meist auch der Region, in der sie leben, verbunden.

Natascha Winter war seit Gründung der Sinti Allianz Deutschland bis zu ihrem Tod im Jahr 2012 unsere Vorsitzende. Wir werden ihr Andenken als mutige Sintezza wahren.

Heute wird die Sinti Allianz Deutschland e.V. durch unseren Vorstand sowie unseren Vorsitzenden, Oskar Weiss, vertreten. Sitz des Vereins ist seit 2018 Bergisch Gladbach.

* Erläuterung: Der Begriff „Sinti und Roma“ wird als Oberbegriff für verschiedene verwandte sesshafte oder nicht sesshafte Gruppen verwendet, etwa Roma, Travellers, Gens du voyage, resandefolket/de resande, Sinti, Camminanti, Manouches, Kalé, Romanichels, Boyash/Rudari, Aschkali, Ägypter, Jenische, Dom, Lom und Abdal, die sich in Kultur und Lebenswandel unterscheiden können. (Quelle: VON DER BUNDESREGIERUNG ANERKANNTE NICHT RECHTSVERBINDLICHE ARBEITSDEFINITION DES BEGRIFFS ANTIZIGANISMUS | International Holocaust Rembrance Alliance IHRA)